VG München, Urteil vom 11.08.2017, Az.: M 16 K 398/16

 

Wird ein Arzt trotz bestehender gesetzlicher Versicherungspflicht ohne Berufshaftpflichtversi­che­rung tätig, kann dies im Einzelfall einen Widerruf der ärztlichen Approbation rechtfertigen. Es gehört zweifelsohne zu den Berufspflichten eines Arztes in Bayern, eine Berufshaftpflicht­versicherung abzuschließen. Dies folgt aus § 21 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns und aus Art. 18 Abs. 1 Nr. 4 HKaG. Die gesetzliche Pflicht eine Haftpflichtversicherung abzu­schließen, dient zudem dem Schutz der Patienten. Wenn ein Arzt vorsätzlich und über länge­re Zeit ohne Haftpflichtversicherung Patienten behandelt, zeigt dies bereits eine Nach­lässig­keit zum Nachteil seiner Patienten. Hat der Arzt vorsätzlich und über längere Zeit nach­haltig gegen die berufliche Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verstoßen, ist von einer prognostischen Unzuverlässigkeit auszugehen, wenn es sich größtenteils um Operationen unter Vollnarkose handelte und nicht um einfachere ärztliche Tätigkeit.

AG München, Urteil vom 30.05.2017, Az.: 159 C 517/17

 

Der klagende 42 jährige Vater beantragte nach durchgeführter Pakistanreise für sich und seine beiden 5 jährigen Zwillinge bei seiner Reiseversicherung Erstattung von Behandlungs­kosten in Höhe von umgerechnet 1343,75 Euro. Am 20.01.15 hatte er für sich und seine beiden Kinder eine Auslandsreisekrankenversicherung abgeschlossen. Am 23.03.15 reichte er eine Schadensmeldung ein und verlangte von ihm in Pakistan für Behandlung und Medi­ka­mente bezahlte 150.060,00 pakistanische Rupien zu erstatten. Aus den eingereichten Unterlagen ging nicht hervor, an welchen Erkrankungen der Kläger und seine Kinder litten und inwieweit diese Erkrankungen behandelt wurden. Die Beklagte beauftragte einen Ermitt­lungsdienst mit Nachforschungen über die Korrektheit der eingereichten Rechnungen, wo­durch ihr Kosten von 250 € entstanden. Mit Schreiben vom 25.06.2015 lehnte die Beklagte die Regulierung ab. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen müssen alle Belege neben Namen und Geburtsdatum der behandelten Person das Behandlungsdatum, den Grund der Behandlung und die einzelnen ärztlichen Leistungen und Kosten enthalten. Der Kläger behauptet, er und seine minderjährigen Kinder seien in Pakistan plötzlich und uner­wartet erkrankt und hätten an erheblichen Magen-Darm-Beschwerden gelitten. Die Beklagte wiederum behauptet, die vom Kläger eingereichten Belege seien zum Teil gefälscht, jeden­falls von einer Institution ausgestellt, die überhaupt nicht mehr existent gewesen sei. Sie verlangt ihrerseits die von ihr für die Nachforschung bezahlten 250 € erstattet.

Beide Seiten erhoben gegeneinander Klage beim Amtsgericht München. Die zuständige Richterin wies beide Klagen ab. „Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, da er nicht zur Überzeugung des Gerichts den Versicherungsfall nachzuweisen vermochte. Er hat zwar glaubhaft angegeben, dass zunächst seine Kinder und dann er selbst unerwartet er­krankten, so dass eine ärztliche Behandlung der Kinder sowie sein stationärer Aufenthalt erforderlich wurden. Andererseits war seine Aussage von Detailarmut geprägt, so dass das Gericht immer wieder Begleitumstände erfragen musste. Aus den vorgelegten Rechnungen ergibt sich unstreitig keine Diagnose. Weiterhin ist nicht erkennbar, welche konkreten Be­hand­­lun­gen durchgeführt wurden. Dass der Kläger tatsächlich 150.060 PKR für medizinische Behandlungen und Medikamente gezahlt hat, ist nicht nachgewiesen.“

Ebenso wies das Gericht den Antrag der Versicherung auf Erstattung der Nachforschungs­kosten von 250 € zurück, da nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestanden habe, dass die vorgelegten Belege gefälscht seien. Aus dem vorgelegten Bericht des eingesetzten Ermittlungsdienstes ergäben sich zwar die Behauptungen der Beklagten. Der Kläger habe jedoch die Richtigkeit des Berichtes bestritten. Ob dieser Bericht den Tatsachen entsprach, vermochte das Gericht nicht zu beurteilen. Geeignete Beweismittel wurden nicht angeboten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 87/2017 des AG München vom 10.11.2017

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.10.2017, Az.: 8 W 19/17

 

Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu recht­fertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Stand­punkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Solche Tatsachen können sich u. a. aus dem Verhalten des Sachverständigen ergeben. Die Wortwahl des Sachverständigen darf jedoch – gerade in Arzthaftungsfällen – deutlich sein, damit die Sachaussagen verstanden werden. Bei der Prüfung, ob die Wortwahl des Sachverständigen eine beleidigende Herabsetzung einer Partei oder ihres Prozessbe­voll­mäch­tigten darstellt, muss Berücksichtigung finden, ob und ggf. inwieweit eine scharfe verbale Reaktion des Sachverständigen durch massive persönli­che Angriffe einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten gegen Leistung und Person des Sachverständigen provoziert worden ist.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.07.2017, Az.: 8 U 150/16

 

Im Arzthaftungsrecht ist zu beachten, dass zur Sicherung eines fairen Verfahrens und der Waffengleichheit im Prozess an die Substantiierungspflicht des Patienten nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil von diesem regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Der Patient darf sich daher auf einen Vortrag beschränken, der für ihn aufgrund der Folgen die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes gestattet. Hat der Patient Ort und Zeit des behaupteten Behandlungsfehlers und dessen angebliche Folgen (hier: Schleimabsonderungen an den Stimmbändern und Schwierigkeiten bei der Stimmmodulation) konkret benannt, und ist er zu weiterem Vortrag, insbesondere zum Kausalzusammenhang zwischen der Beatmung und seinen Beschwerden ohne medizinische Fachkenntnisse nicht in der Lage, ist es Aufgabe des Gerichts, seine Behauptungen durch Einholung eines zusätzlichen anästhesiologischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen zu überprüfen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2017, Az.: 12 U 107/17

 

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Sie fordert die Erstattung von Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung. Die Klägerin kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden, sie leidet jedoch an einer chromosomalen Veränderung aufgrund derer die Wahrscheinlichkeit für eine intakte Schwangerschaft bzw. für ein gesundes Kind bei unter 50 Prozent liegt. Die Beklagte übernimmt laut ihren Versicherungsbedingungen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behandlungsversuche bei hinreichender Erfolgsaussicht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versicherungsbedingungen nur, wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Die Klägerin ließ vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen durchführen. Der voreheliche Behandlungsversuch verursachte Kosten in Höhe von 11.771 EUR und war erfolglos. Die Versicherung hält die Beschränkung auf Verheiratete unter Hinweis auf eine ähnliche Bestimmung für gesetzlich Versicherte für wirksam. Der Versicherer macht außerdem geltend, dass die Klägerin grundsätzlich auf natürlichem Wege schwanger werden kann und damit nicht organisch steril ist. Die Klägerin verlangt die Kosten der vorehelichen Behandlung und will festgestellt wissen, dass die private Krankenversicherung verpflichtet ist, weitere Behandlungsversuche zu erstatten.

Der unter anderem für Privatversicherungsrecht zuständige 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat entschieden, dass die Beschränkung der Kostenerstattung auf verheiratete Versicherte in allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist. Anders als der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung der Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung andere – etwa gesellschaftspolitische – Erwägungen anstellen kann, verfolgt der private Krankenversicherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Vor diesem Hintergrund ist die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch aber willkürlich und die Vertragsbestimmung damit unwirksam. Die Beschränkung des Anspruchs auf insgesamt drei Versuche ist hingegen wirksam. Die Klägerin hat auch Anspruch auf die Erstattung der in ihrem Fall gesetzlich zulässigen Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen der Eizellen bzw. des Embryos. Die bei der Klägerin vorhandene genetische Veränderung beeinträchtigt, auch wenn die Klägerin auf natürlichem Wege schwanger werden kann, aufgrund des hohen Risikos eines Scheiterns der Schwangerschaft bei genetischer Schädigung der Eizelle ihre Fortpflanzungsfähigkeit und stellt damit eine Krankheit der Klägerin dar.

Da sowohl die Frage, ob eine Begrenzung der Leistung für künstliche Befruchtung auf Verheiratete als auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen private Krankenversicherer Maßnahmen der Vorimplantationsdiagnostik erstatten müssen, bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind, hat das Oberlandesgericht für die beklagte Versicherung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 13.10.2017

OLG München, Beschluss vom 20.09.2017, Az.: 25 U 2457/17

 

Sehen die Tarifbedingungen einer Krankheitskostenversicherung eine Erstattungsfähigkeit von Leistungen einer Kinderwunschbehandlung nur bei organisch bedingter Sterilität der versicherten Person vor, die allein mittels künstlicher Befruchtung/Insemination überwunden werden kann, so ist der Versicherer nicht leistungspflichtig, wenn der Versicherte Träger eines vererblichen Gendefekts ist und aus diesem Grunde eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege ohne die Möglichkeit einer Präimplantationsdiagnostik nicht für zumutbar hält, da im Falle einer Vererbung des Gendefekts der Säugling keine Überlebenschance hat. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf medizinisch notwendige künstliche Befruchtungen aufgrund organisch bedingter Sterilität der versicherten Person ist auch nicht gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen Aushöhlung des Versicherungsschutzes unwirksam.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.03.2017, Az.: 5 U 35/15

 

Der Versicherer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung kann den Vertrag wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherer anfechten. Dieser handelt bei Beantwortung der Gesundheitsfragen aber nicht arglistig, wenn er den von ihm beauftragten Versicherungsagenten zutreffend informiert, dieser jedoch einen Teil der Gesundheitsfragen wahrheitswidrig verneint. Es ist nicht möglich, dass der Versicherer den Beweis der unzulänglichen Information allein durch die Vorlage des Antrags führt, wenn der Agent des Versicherers das Antragsformular selbst ausgefüllt hat.