Aufklärung über „vereinzelte“ Operationsrisiken
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.03.2019, Az.: 8 U 219/16
Der
Kläger rutschte auf seinem Betriebsgelände bei Glatteis aus und stürzte auf den
rechten Arm. Zur Behandlung begab er sich in die Hände der Beklagten (Klinikum
und Arzt). Es wurde ein Oberarmschaftbruch diagnostiziert. Die Aufklärung über
mögliche Operationsmethoden erfolgte u.a. anhand eines Aufklärungsformblattes
mit bildlichen Darstellungen. Unter der Rubrik „Komplikationen“ wurde darauf
hingewiesen, dass „vereinzelt“ Zwischenfälle – etwa die Bildung eines so
genannten Falschgelenks – auftreten könnten, die weitere Behandlungsmaßnahmen
erforderten. Der Kläger wurde nachfolgend im Wege der sog. Humerus-Nagelung
operiert, die jedoch nicht zum Verheilen des Bruches führte. Es bildete sich
ein sog. Falschgelenk. Nach erneuter Operation unter Anwendung einer anderen
Methode verheilte die Fraktur.
Der
Kläger begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Eintrittspflicht für
entstandene und zukünftige Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung
hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Behandlungsfehler
der Beklagten nachweisen können, stellte das OLG fest. Der von den Gerichten
beauftragte Sachverständige habe vielmehr überzeugend deutlich gemacht, dass
die Art der Versorgung des Bruches keine Auswirkungen auf die Bildung eines
Falschgelenks gehabt habe.
Die
Einwilligung des Klägers in den zunächst vorgenommenen Eingriff sei auch nicht
mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam. Insbesondere sei das mit
„vereinzelt“ angegebene Risiko der Falschgelenkbildung in dem Aufklärungsbogen
nicht verharmlost worden. Das Risiko der Bildung eines Falschgelenks liege nach
Angaben des Sachverständigen bei ca. 20 % aller Fälle. Die Formulierung
„vereinzelt“ bezeichne nach dem hier maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch „eine
gewisse Häufigkeit, die zumindest kleiner als „häufig“ ist.“ Genaue oder
annähernd genaue Prozentzahlen hinsichtlich eines Behandlungsrisikos müssten
nicht mitgeteilt werden. Die verbalen Risikobeschreibungen in ärztlichen Aufklärungsbögen
richteten sich auch nicht nach den Häufigkeitsdefinitionen (gelegentlich,
selten, sehr selten etc.) in Medikamentenbeipackzetteln des MedDRA (Medical
Dicitionary for Regulatory Activities). „Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
kann man ein in etwa in jedem fünften Fall eintretendes Risiko durchaus noch
als „vereinzelt“ bezeichnen“.
Die
Beklagten hätten auch nicht versäumt, den Kläger über alternative gleichwertige
Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären. Der Sachverständige habe vielmehr
verdeutlicht, dass die vom Kläger bevorzugte so genannte Plattenosteosynthese
keine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit gewesen wäre. Im Übrigen wäre diese
Behandlungsvariante mit einem vergleichbaren Risiko für eine
Falschgelenkbildung verbunden gewesen. Schließlich habe der Kläger jedenfalls
nicht bewiesen, dass die vorgenommene Behandlung für den geltend gemachten
Schaden ursächlich geworden sei. Er hätte darlegen und beweisen müssen, dass
bei pflichtgemäßem Handeln der Schaden verhindert worden wäre. Dies sei ihm
nicht gelungen. Vielmehr habe der Sachverständige deutlich gemacht, dass bei
jeder Behandlungsmethode aufgrund der Risikofaktoren des Klägers ein
vergleichbar hohes Risiko für eine Falschgelenkbildung bestanden habe.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 23/2019 des OLG Frankfurt am Main vom 08.04.2019