BGH, Beschluss vom 10.05.2017, Az.: IV ZR 30/16

 

Kommt es auf Betreiben des Versicherers im Zuge der Verhandlungen über den Abschluss einer Lebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses auf einem vom Versicherer vorgegebenen Formblatt und hat der Antragsteller dabei im Rahmen der „Erklärung vor dem Arzt“ gegenüber dem Arzt vom Versicherer vorformulierte Fragen zu beantworten, so stehen die vom Arzt in Erfüllung dieses Auftrags gestellten Fragen den Fragen des Versicherers, die erteilten Antworten den Erklärungen gegenüber dem Versicherer gleich.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.05.2017, Az.: 1 U 122/15

 

Es handelt sich um einen Diagnosefehler, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die zu den aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift. Allerdings wird ein Diagnosefehler nicht dadurch zum Befunderhebungsfehler, dass bei objektiv zutreffender Diagnosestellung noch weitere Befunde zu erheben gewesen wären bzw. solche hätten empfohlen werden müssen.

BGH, Urteil vom 19.07.2017, Az.: IV ZR 535/15

 

Für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit auf Grundlage einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung darf nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann, wenn diese untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs ist.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AVB) und deren Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) zugrunde liegen. Nach § 1 Abs. 1 BB-BUZ erbringt die Beklagte Leistungen im Falle mindestens 50 %iger Berufsunfähigkeit. Nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren Beruf, so wie er in gesunden Tagen ausgeübt worden ist, weiter auszuüben. Bei Abschluss des Vertrages war die Klägerin vollschichtig als angestellte Hauswirtschafterin in einer Anwaltskanzlei beschäftigt. Ihre Aufgaben bestanden im Wesentlichen darin, die Kanzleiräume zu putzen, Einkäufe zu erledigen und den Mittagstisch für ca. 15 bis 30 Personen zuzubereiten. Am 20.03.2007 stürzte sie eine Treppe hinunter und war danach für längere Zeit krankgeschrieben. In der Folgezeit befand sie sich unter anderem aufgrund psychischer Probleme sowie Rücken- und Wirbelsäulenbeschwer­den in ärztlicher Behandlung. Die Klägerin macht geltend, seit dem Treppensturz in ihrem Beruf zu mehr als 50 % berufsunfähig zu sein. Im Revisionsverfahren streiten die Parteien noch um die Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab April 2007 und Feststellung ihrer Beitragsfreiheit. In den Vorinstanzen ist die Klage mit diesen Anträgen erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:

Nach der Auffassung des BGH darf für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann (hier: Tragen schwerer Lasten), wenn es sich hierbei nicht um eine abtrennbare Einzelverrichtung handelt, sondern diese einen untrennbaren Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs darstellt. Der Senat erläutert, dass im konkreten Fall der wöchentliche Einkauf der Klägerin für die Kanzleimitarbeiter in ihrer Eigenschaft als Hauswirtschafterin als untrennbarer Bestandteil der von ihr arbeitsvertraglich geschuldeten Versorgung der Mitarbeiter durch die von ihr selbständig zu führende Kantine anzusehen ist. Soweit ihr die notwendigen Einkäufe nicht mehr möglich gewesen sein sollten, sei ihr auch die weitere Führung der Kantine nicht mehr möglich. Nach Ansicht des BGH ist daher die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es prüfen kann, ob und inwieweit sich die von dem Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen einerseits auf ihre Fähigkeit zur Versorgung der Mitarbeiter in der Kantine auswirken und andererseits, ob der Klägerin im Hinblick auf die sonstigen ihr übertragenen Arbeiten, die zum Teil auch noch gewissen Einschränkungen unterliegen (Arbeiten auf Leitern, gebückte Zwangshaltungen), noch eine mehr als 50 %ige Berufsfähigkeit verblieben ist.