BGH, Urteil vom 20.12.2022, Az.: VI ZR 375/21
§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB kodifiziert die bisherige BGH-Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Die Bestimmung sieht keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Sie enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste.
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Der Kläger litt im Jahr 2013 an chronisch rezidivierenden Ohrentzündungen und Paukenergüssen. Er wurde von dem ihn behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Hinblick auf eine mögliche Ohroperation (Mastoidektomie) in die HNO-Klinik des von der Beklagten betriebenen Klinikums überwiesen und dort am 28.10.2013 von Prof. Dr. N. untersucht. Dieser riet dem Kläger, in einem ersten Schritt zur Optimierung der Nasenluftpassage die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen. Am 01.11.2013 wurde der Kläger von der Ärztin A. über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterzeichnete er das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Am 04.11.2013 wurde der Kläger stationär aufgenommen und der Eingriff durchgeführt. Intraoperativ trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Postoperativ war der Kläger nicht erweckbar. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Bei der daraufhin erfolgten neurochirurgischen Intervention wurde festgestellt, dass es bei dem ersten Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war. Der Kläger wurde in der Folgezeit umfassend stationär und ambulant behandelt. Mit der Behauptung, die Operation vom 04.11.2013 sei fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt worden und er sei unzureichend aufgeklärt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG mit Grund- und Teilurteil den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte vom 04.11.2013 bis zum 05.01.2014 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Mit der Begründung des Berufungsgerichts könne kein Schadensersatzanspruch des Klägers bejaht werden. Der Senat teilt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in den ärztlichen Eingriff vom 04.11.2013 nicht wirksam eingewilligt. Der Senat erläutert, dass ein Arzt zwar grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist und den Arzt insoweit ein Verschulden trifft. Er betont außerdem, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten gemäß § 630d Abs. 2 BGB dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt. Im konkreten Fall habe die dem Kläger erteilte Aufklärung in inhaltlicher Hinsicht den an sie zu stellenden Anforderungen gemäß § 630e Abs. 1 BGB entsprochen. Der BGH folgt hier jedoch nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger am 01.11.2013 erklärte Einwilligung in den ärztlichen Eingriff vom 04.11.2013 sei unwirksam, weil ihm unter Verstoß gegen § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB keine Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und seiner Entscheidung über die Einwilligung in den Eingriff eingeräumt worden sei. Nach Auffassung des Senats kodifiziert diese Vorschrift die bisherige BGH-Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Nach Worten des Senats gelten diese Grundsätze inhaltlich unverändert fort. Aus Sicht des BGH sieht § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB hierbei keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Vorschrift enthält nach Überzeugung des Senats kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste. Entscheidend sei, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit habe, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen wolle oder nicht. Im konkreten Fall sei der ärztliche Eingriff vom 04.11.2013 durch eine wirksame Einwilligung des Klägers gedeckt. Der BGH hat daher im Ergebnis die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Prüfungsantrag hemmt Ausschlussfrist
VergütungsrechtLSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.03.2023, Az.: L 7 KA 16/19
§ 106 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 19.10.2012 stellt die Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Arzneimittelregressen dar, nach welcher die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen geprüft wird. Gemäß § 20 Abs. 3 und 4 Prüfverordnung entscheidet die Prüfungsstelle darüber, ob und in welcher Höhe der Krankenkasse durch Verletzung vertraglicher Pflichten des Vertragsarztes ein zu ersetzender Schaden entstanden ist. Dieser Prüfungsantrag hat eine die Ausschlussfrist hemmende Wirkung, sofern er innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren gestellt wurde und der Vertragsarzt von ihm Kenntnis erlangt. Die Kenntnisnahme des Vertragsarztes ist hierbei auch nach Ablauf der Ausschlussfrist möglich, solange dies unverzüglich geschieht.
Beweislast des Patienten hinsichtlich einer Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung
ArzthaftungsrechtOLG Dresden, Urteil vom 25.07.2023, Az.: 4 U 659/23
Die Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung umfasst den Vorwurf eines Behandlungsfehlers, für dessen Vorliegen der Patient beweisbelastet ist. Eine diesbezügliche dokumentationspflichtige Aufklärungspflicht ist hierin nicht zu sehen. Ein Befunderhebungsfehler, der aus einem nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum resultiert, stellt aufgrund der sog. Sperrwirkung des Diagnoseirrtums keine Haftungsgrundlage wegen eines Behandlungsfehlers dar.
Beweislast bei unzureichender Aufklärung über Behandlungsalternativen
ArzthaftungsrechtOLG Dresden, Urteil vom 19.07.2023, Az.: 4 U 245/23
Der Patient ist im Rahmen einer unzureichenden Aufklärung über Behandlungsalternativen beweispflichtig dafür, dass er bei pflichtgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte und der mit dem tatsächlich durchgeführten Eingriff verbundene Schaden verhindert worden wäre. Eine Beweislastumkehr bezüglich des Kausalverlaufs ist auch bei Vorliegen einer „groben“ Verletzung der Aufklärungspflicht zu verneinen, mit der Folge, dass ein „grober Aufklärungsfehler“ nicht anerkannt wird. Es ist kein Sachgrund dafür ersichtlich, bezüglich der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht den Arzt insoweit beweismäßig schlechter zu stellen als bei einem Behandlungsfehler.
Beweislast bei Geltendmachung eines Anspruchs wegen ärztlichem Behandlungs- und Befunderhebungsfehler
ArzthaftungsrechtOLG Dresden, Beschluss vom 14.03.2023, Az.: 4 U 2288/22
Soweit der Patient neben dem Träger eines Krankenhauses auch einen dort beschäftigten Arzt in Anspruch nimmt, ist er verpflichtet, substantiiert einen Behandlungskontakt zu behaupten, falls sich dieser nicht aus den Behandlungsunterlagen entnehmen lässt. Steht ein grober Behandlungsfehler fest, obliegt dem Behandler die Beweislast für die Behauptung, der Schaden wäre auch bei rechtzeitigem und ausreichendem Handeln in gleicher Weise eingetreten. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn der Behandler beweist, dass bei ungehindertem Geschehensablauf das Ergebnis einer rechtzeitigen Befunderhebung erst nach dem tatsächlichen Schadenseintritt vorgelegen hätte. Ein einfacher Befunderhebungsfehler kann allenfalls dann zur Haftung führen, sofern die tatsächlich durchgeführte Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte.
Übernahme von Behandlungskosten durch den Versicherer aus Vertrauenshaftung
KrankenversicherungsrechtOLG Karlsruhe, Urteil vom 02.02.2023, Az.: 12 U 194/22
Bei privaten Krankenversicherungen kann die vorbehaltlose Kostenerstattung über einen längeren Zeitraum geeignet sein, ausnahmsweise über § 242 BGB eine Vertrauenshaftung zu begründen, sodass der Versicherer zum Ersatz von Behandlungskosten verpflichtet ist. Ergibt sich innerhalb der konkreten Prüfung im Einzelfall, dass von einem einheitlichen Versicherungsfall auszugehen ist und aus Sicht des Versicherungsnehmers keine Prüfung nach § 192 VVG angestoßen wurde, kann wie hier ein Vertrauen bestehen, da hier Krankheit und Behandlungsmethoden, als auch die Kosten im fraglichen Zeitraum durchweg gleichgeblieben sind. Durch die kontinuierliche Übernahme der Behandlungskosten durfte der Versicherungsnehmer redlicherweise davon ausgehen, dass die medizinische Notwendigkeit nicht übersehen wurde und eine Rechnungsprüfung wohl erfolgte und dadurch die Erstattung gebilligt wurde.
Gesteigerte Dokumentationspflicht des Behandlers bei Diagnose einer akuten Suizidalität
ArzthaftungsrechtOLG Hamm, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 26 U 15/22
Die vorschnelle Aufgabe der Diagnose einer akuten Suizidalität kann zu einem groben ärztlichen Behandlungsfehler führen. Die akute Suizidgefahr führt zu einer gesteigerten Sicherungspflicht des Behandlers. Die Dokumentation des Inhalts eines Patientengesprächs in seinen wesentlichen Einzelheiten entspricht dem Goldstandard der Psychiatrie. Diese dient der Gewährleistung des gleichen Informationsstands für das gesamte Behandlungsteam.
Ärztlicher Aufklärungsmangel, Neulandmethode
ArzthaftungsrechtOLG Oldenburg, Urteil vom 14.12.2022, Az.: 5 U 70/19
Nicht jede Neuerung innerhalb eines etablierten Prinzips ist als eine aufklärungspflichtige Neulandmethode anzusehen. Ob es sich um eine Neulandmethode handelt oder um die bloße, nicht gesondert aufklärungspflichtige, Varianz eines etablierten Prinzips, ist danach zu bestimmen, ob der ärztliche Behandler unter Wahrung der berechtigten Sicherheitsinteressen des Patienten bei Anwendung der Methode ex ante mit der ernsthaften Möglichkeit zu rechnen hatte, dass eine derartige Abweichung der Methode von den anderen etablierten Methoden vorliegt, dass mit ihr weitere, unbekannte Risiken verbunden sein könnten. Bandscheibenprothesen mit viskoelastischem Kern stellen ein etabliertes Prinzip dar. Die Verwendung von derartigen Prothesen mit Deckplatten aus Polycarbonat (Cadisc) statt aus Titan ist die bloße Varianz eines etablierten Prinzips. Diese unterliegt keiner gesonderten Aufklärungspflicht.
Vorliegen einer defizitären Aufklärung bei mangelndem Kenntnisstand des Arztes
ArzthaftungsrechtOLG Hamm, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 26 U 46/21
An die Aufklärung im Rahmen einer Hüft-TEP sind besondere Anforderungen zu stellen, wenn im Vergleich zu einer normalen Hüftendoprothetik vermehrte Beschwerden möglich sind. Der aufklärende Arzt hat in der Lage zur Vermittlung dieser besonderen Risiken zu sein. Dieses ist zu bejahen, wenn er schon bei entsprechenden Operationen mitgewirkt hat. Soweit der aufklärende Arzt nicht über den entsprechenden Kenntnisstand verfügt, bleibt die Aufklärung defizitär.
Selbstbestimmungsaufklärung des Patienten durch den Arzt
ArzthaftungsrechtBGH, Urteil vom 20.12.2022, Az.: VI ZR 375/21
§ 630e BGB enthält Grundsätze zur Selbstbestimmungsaufklärung des Patienten. Gemäß § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB ist der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff derart rechtzeitig aufzuklären, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und demzufolge sein Selbstbestimmungsrecht angemessen ausüben kann. Die Bestimmung beinhaltet keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“, deren Nichteinhaltung eine Unwirksamkeit der Einwilligung nach sich führen würde. Darüber hinaus enthält sie auch kein Erfordernis, nach welchem zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste. Der Patient ist nach ordnungsgemäßer rechtzeitiger Aufklärung berechtigt, seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung selbst bestimmt zu treffen, ggf. auch sofort. Eine andere Beurteilung ist, sofern medizinisch vertretbar, jedoch dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung bedarf. Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff stellt kein Rechtsgeschäft dar, sondern vielmehr eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. Diese kann sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben.
Anforderungen an die Einwilligung eines Patienten in einen ärztlichen Eingriff
ArzthaftungsrechtBGH, Urteil vom 20.12.2022, Az.: VI ZR 375/21
§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB kodifiziert die bisherige BGH-Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Die Bestimmung sieht keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Sie enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste.
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Der Kläger litt im Jahr 2013 an chronisch rezidivierenden Ohrentzündungen und Paukenergüssen. Er wurde von dem ihn behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Hinblick auf eine mögliche Ohroperation (Mastoidektomie) in die HNO-Klinik des von der Beklagten betriebenen Klinikums überwiesen und dort am 28.10.2013 von Prof. Dr. N. untersucht. Dieser riet dem Kläger, in einem ersten Schritt zur Optimierung der Nasenluftpassage die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen. Am 01.11.2013 wurde der Kläger von der Ärztin A. über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterzeichnete er das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Am 04.11.2013 wurde der Kläger stationär aufgenommen und der Eingriff durchgeführt. Intraoperativ trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Postoperativ war der Kläger nicht erweckbar. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Bei der daraufhin erfolgten neurochirurgischen Intervention wurde festgestellt, dass es bei dem ersten Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war. Der Kläger wurde in der Folgezeit umfassend stationär und ambulant behandelt. Mit der Behauptung, die Operation vom 04.11.2013 sei fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt worden und er sei unzureichend aufgeklärt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG mit Grund- und Teilurteil den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte vom 04.11.2013 bis zum 05.01.2014 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Mit der Begründung des Berufungsgerichts könne kein Schadensersatzanspruch des Klägers bejaht werden. Der Senat teilt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in den ärztlichen Eingriff vom 04.11.2013 nicht wirksam eingewilligt. Der Senat erläutert, dass ein Arzt zwar grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist und den Arzt insoweit ein Verschulden trifft. Er betont außerdem, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten gemäß § 630d Abs. 2 BGB dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt. Im konkreten Fall habe die dem Kläger erteilte Aufklärung in inhaltlicher Hinsicht den an sie zu stellenden Anforderungen gemäß § 630e Abs. 1 BGB entsprochen. Der BGH folgt hier jedoch nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger am 01.11.2013 erklärte Einwilligung in den ärztlichen Eingriff vom 04.11.2013 sei unwirksam, weil ihm unter Verstoß gegen § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB keine Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und seiner Entscheidung über die Einwilligung in den Eingriff eingeräumt worden sei. Nach Auffassung des Senats kodifiziert diese Vorschrift die bisherige BGH-Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Nach Worten des Senats gelten diese Grundsätze inhaltlich unverändert fort. Aus Sicht des BGH sieht § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB hierbei keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Vorschrift enthält nach Überzeugung des Senats kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste. Entscheidend sei, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit habe, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen wolle oder nicht. Im konkreten Fall sei der ärztliche Eingriff vom 04.11.2013 durch eine wirksame Einwilligung des Klägers gedeckt. Der BGH hat daher im Ergebnis die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.