Unterlassen der Vorstellung beim Facharzt des Patienten trotz hausärztlichem Rat führt zu Mitverschulden
OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2024, Az.: 4 U 452/22
Führt die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung dazu, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat, ist er aufgrund unzureichender Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt, die er, wie vorliegend, nicht durch die medizinisch gebotenen Befunderhebungen abgeklärt hat, sodass, in Abgrenzung zu einem Diagnosefehler, ein Befunderhebungsfehler anzunehmen ist. Aufgrund der Tatsache, dass die hier anhand des Laborberichts festgestellte Anämie bei dem Patienten nicht bekannt war und dieser Beschwerden unklarer Genese hatte, hätte die Ursache durch den Hausarzt zwingend abgeklärt werden müssen. Dieses Unterlassen ist als grob behandlungsfehlerhaft zu werten. Zwar trägt der Patient grundsätzlich ein Mitverschulden, wenn der die Vorstellung beim Facharzt trotz ärztlichen Rats seines Hausrats, wie hier geschehen, unterlässt. Aus medizinischer Sicht trug der Hausarzt jedoch im Rahmen der Ermittlung der Verschuldensanteile bis zur tatsächlichen Übernahme der Behandlung durch einen nachbehandelnden Neurologen als Hausarzt die Verantwortung und hätte in diesem Zusammenhang unverzüglich weitere erforderliche Maßnahmen bei dem Patienten veranlassen müssen, sodass dessen Verschuldensbeitrag höher einzustufen ist.